von Jens Werkmeister
Die Tragödie des Menschen besteht darin, dass er zum Denken erzogen wird, aber nur glücklich ist, wenn er nicht denkt und sein Geist vollständig in einer Tätigkeit versinkt, über die sein Gehirn vergisst, unentwegt die eigene Vergangenheit zu analysieren und Zukunft zu planen. Über Jahrtausende erprobte Techniken hierzu sind beispielsweise, je nach Geschlecht, Alter, Kultur oder persönlicher Neigung: Tanz und Musik, Sex und Drogen oder Gebet und Yoga.
Ich sammele Pilze! Bei dieser noblen Passion vermeidet man Nachteile, wie Schwerhörigkeit, Geschlechtskrankheiten, soziale Stigmatisierung oder Sucht. Nein, Sucht nicht, denn die Hochstimmung, in die man gerät, wenn man mitten im Wald zwischen Pilzen steht und reiche Beute macht, ist hochgradig suchterregend und die Pilzsaison erstreckt sich vom Frühling bis in den Winter, sofern man sich nicht auf eine spezielle Sorte versteift, wie Hugh Hefner auf großbusige Blondinen.
Die Eindrücke, die uns der Duft von Holz und Erde, der Anblick des Waldes, das Zwitschern der Vögel und das Laubrascheln des Gefährten auslösen, wandern durch die Sinnesorgane in unsere Gehirne und lösen Gefühle reinen Glückes aus. So in etwa müssen Bienen empfinden, die in Honig versinken.
Der legendäre Evolutionsbiologe und Universalgelehrte Edward O. Wilson – nicht zu verwechseln mit dem großartigen Playboy-Cartoonisten Rowland B. Wilson – einer von nur zwei Menschen, welche die höchste US-amerikanische Auszeichnung für Wissenschaften, als auch für Literatur erhielt, vertritt die Ansicht, dass das dauerhafte Leben in den Städten für die Psyche des Menschen ungesund ist. Der Begründer der Biologie als Totalwissenschaft argumentiert, dass unsere Sinneseindrücke unser Denken formen und der Mensch über seine gesamte Evolution hin, darauf ausgelegt ist, die Sinneseindrücke der Natur aufzunehmen. Das, was unser Auge, unsere Ohren und unsere Nasen in den Städten aufnehmen, führt langfristig zu Stress und Depressionen.
Ich bin kein Wissenschaftler, aber alt genug um zu beurteilen, wie ich mich nach einem Tag im Verkehr der Großstadt oder einem Tag im Wald fühle. Und am großartigsten fühle ich mich, mit einem Korb voller Steinpilze. Der Steinpilz ist in Deutschland für den Sammler das, was der Rothirsch für den Jäger ist: ein seltenes Wild, eine heiß begehrte Trophäe und eine große Delikatesse. Die ganz Großen und Alten sind, wie bei den Hirschen, zwar nicht die Leckersten, aber offen gestanden ist das Imponiergehabe mit diesen Kaventsmännern und der Neid in den Augen der anderen großartig. Moralisch aufgeklärtere Menschen als ich, mögen da „Schwanzvergleich“ murmeln, aber besonders lustig ist das Leben als denkender Mensch ja auch nicht, wie ich am Anfang dieser Zeilen ausgeführt habe.
Darüber, wie man die Steinpilze am leckersten zubereiten kann, gehen die Meinungen naturgemäß auseinander. Da sie nicht so problemlos zu lagern sind, wie die meisten Nahrungsmittel, die wir aus Supermarktregalen nach Hause schleppen, muss ein Großteil der Beute getrocknet werden. Schon bei dem Dörren im Backofen entfalten sie einen Duft, der die Götter zum Lachen bringt, so dass man gar nicht Lüften mag und glücklich in den Dämpfen sitzt, wie ein Kiffer in seinem Marihuanarauch. Die Anwendungsmöglichkeiten für Steinpilzbutter sind vielfältig und alle glückspendend. Man kann mit ihr Pasta, Omeletts oder Grillsteaks veredeln oder sie auch einfach auf leicht geröstetes Brot schmieren. Rein theoretisch könnte man auch seine(n) Liebste(n) damit einreiben und hinterher wie einen Lolli ablecken, aber so viele Pilze muss man erst einmal finden.
Rezept Steinpilzbutter
Zutaten
- 15 g Steinpilze (getrocknet)
- 75 bis 125 g weiche Butter (je nach Gusto)
- 0 bis 2 TL Sherry
- Salz
- frisch gemahlener Pfeffer
- 1 Spritzer Zitronensaft
- evtl. 1 Spritzer Worcestersauße
Zubereitung
- Die Pilze mit 100 bis 125 ml kochendem Wasser übergießen und 1 Stunde einweichen.
- Die Pilze gut ausdrücken, den Sud mit einem Kaffeefilter oder Sieb mit Seihtuch gießen, auffangen und Pilze sehr fein hacken.
- Bei mittlerer Hitze 1 EL Butter in einer Pfanne erhitzen. Die Hitze reduzieren und die Pilze anbraten, bis sie anfangen, sich am Pfannenboden anzulegen und zu duften.
- Die abgeseihte Einweichflüssigkeit und den Sherry hinzufügen, und weiterbraten, bis die Flüssigkeit unter Rühren fast vollständig verkocht ist, die Pilze aber noch feucht glänzen.
- Vom Herd nehmen und ganz abkühlen lassen. Zum Finale Furioso die restliche Butter mit den Quirlen des Handrührers schaumig schlagen und den Pilzsud unterrühren. Mit Salz, Pfeffer, Sherry und evtl. etwas Worcestersauße abschmecken.
- Kalt stellen. Aus dem Kühlschrank nehmen und wie ein Wolf darüber herfallen.
2 Comments
Das klingt hervorragend. Jetzt weiß ich endlich was ich mit dem Rest Steinpilze machen der seit ein paar Wochen im Regal auf Verarbeitung wartet.
Schöner (Gast)Beitrag.
Ach wie herrlich animalisch kann das kultivierte Leben sein – mit FAN-tasie, Witz und Pilz und Butter❣️ Dein Fan