Wilde basics

Fleischreife oder der Buttermilchmythos…

9. Oktober 2014

Er ist einfach nicht totzukriegen, dieser Buttermilchmythos!

Die Frage die einem als Jäger mit schöner Regelmäßigkeit gestellt wird ist: „Muss ich das (Fleisch) jetzt vorher in Buttermilch einlegen oder marinieren…?“. Die Antwort darauf ist ein klares „NEIN“! Außer natürlich man mag den für Beizen typischen, leicht säuerlichen Geschmack der entsteht, wenn Fleisch zum Beispiel für 24 h in einer Beize oder Marinade (Mischung z.B. aus Essig, Gewürzen und Rotwein) liegt.

Hautgout
Um zu verstehen, woher diese nicht tot zu kriegende Urban Legend (nennen wir ihn mal den Buttermilchmythos) denn kommt muss man wissen, wie Wildfleisch früher (die Zeit vor mehr als 50 Jahren) aufbewahrt und genußfertig gemacht wurde. Zu dieser Zeit gab es noch keine auf 6° runtergekühlten Wildkammern und die hohen bei der heutigen Wildbretthygiene geltenden Standards waren auch noch nicht erfunden. Da hing ein Reh auch gerne mal mehr als fünf Tage ungekühlt am Haken und reifte so vor sich hin. Das Ergebnis war dann der sogenannte Hautgout (oːˈguː, von frz. haut goût, wörtl. „Hoher Geschmack“). Um diesen Hautgout zu übertünchen und das Fleisch wieder halbwegs genießbar zu machen legten unsere Altvorderen ihr Wildbrett einen Tag in Sauer- oder Buttermilch ein.

Aber der Reihe nach – welche Faktoren machen denn nun ein Stück Wildfleisch zart und saftig? Hier spielen das Alter des Tieres, die Fleischreifung, die Lagerung und natürlich die Art der Zubereitung eine entscheidende Rolle.

Alter
Jedem wird einleuchten, dass ein junges Tier zarter ist als ein altes. Daher sind Spanferkel, Kalb und Lamm in unserem Kulturkreis eine besondere Delikatesse. Nicht anders verhält es sich bei Wild. Das Fleisch eines (Reh-) Jährlings wird unabhängig von der Zubereitungsmethode immer feiner schmecken als das eines sehr alten Stückes. Dies beachten Jäger schon bei der Jagd und erlegen nur das, was sie selbst mit Genuss essen würden.

Krankes oder verunfalltes Wild wird verworfen und kommt nicht in den Handel. Deshalb hat ein Jäger während seiner Ausbildung auch gelernt an welchen Anzeichen er ein krankes Tier erkennt.

Fleischreife
Die sogenannte Fleischreife ist ein Prozess, in dem das in den Fleischzellen vorhandenen Glycogen zu Milchsäure umgewandelt wird. Dieser Prozess macht das Fleisch zart. Idealerweise hängt das Wild in der Praxis ca. 3-5 Tage in der Decke (d.h. im Fell) bei 6° in der Wildkammer bevor es zerlegt und verwendet bzw. vakuumiert wird.

Lagerung
Wildfleisch kann bedenkenlos vakuumiert und eingefroren werden. Im Vakuumbeutel bekommt das Fleisch keinen Frostbrand. Langsam, über einen Zeitraum von 12 bis 36 Stunden im Kühlschrank (bei höchstens +10 °C) aufgetautes Wildfleisch kann nochmals eingefroren werden.

Die optimalen Lagerzeiten im Einzelnen:

  • Gams, Gemse 12 Monate
  • Hirsch 18 bis 24 Monate
  • Reh 18 bis 24 Monate
  • Wildhase 7 bis 9 Monate
  • Wildkaninchen 7 bis 9 Monate
  • Wildschwein 6 Monate

Zubereitung
Vor dem Braten wird das Wildfleisch vorbereitet: d.h. das Wild wird mit einem scharfen, spitzen Messer von Sehnen und Häutchen befreit (parieren). Bei Wildschweinen ist es ratsam, größere Fettanteile zu entfernen.

Um Wild richtig zu braten, eine gleichmäßige Hitzeverteilung und Bräunung zu erzielen benutzen Sie am besten eine Eisenpfanne oder einen schweren, gusseisernen Bräter. Hier hat es sich bewährt das Wild kurz und scharf, z.B. in Butterschmalz anzubraten und es dann im Ofen zum gewünschten Garpunkt (raw/ medium/ done) ruhen zu lassen.

Gewürze und frische Kräuter verleihen dem Wild mehr Aroma und betonen den Eigengeschmack. Ein Geheimtipp zum Abschmecken von Wild ist selbst hergestelltes Pilzpulver aus dem Glas. Über die klassischen Zubereitungsmethoden im Rohr hinaus kann man Wild noch niedrigthemperaturgaren, pochieren, dämpfen, schmoren, grillen, lufttrocknen, pökeln und heißräuchern. Hier ist die goldene Regel – je älter das Stück, desto länger sollte die Koch- oder Garzeit sein. Alte Stücke verarbeite ich entweder zu Wurst, oder koche Gulasch daraus…

Noch einmal zum Mitschreiben und Einprägen: wenn Fleisch seltsam aussieht, sich seltsam anfasst oder seltsam riecht, dann hat das nichts mit „typisch Wild“ zu tun, sondern es wurde entweder ein rauschiges oder brunftiges Stück erlegt (das Tier wurde während der Fortpflanzungsperiode erlegt und ist voller körpereigener Hormone) oder aber bei der Verarbeitung, der Lagerung, dem Transport oder der Zubereitung wurden Fehler gemacht.

Stammt das Stück Wildbret aber von einem vertrauenswürdigen Jäger aus der Nachbarschaft, der sein Handwerk versteht und sich seiner Verantwortung bewusst ist, steht einem nachhaltigen und unbeschwerten Wildgenuss nichts im Wege.

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6 Comments

  • Reply Thilo 16. Januar 2015 at 22:02

    Du sprichst mir aus der Seele Werner!!
    Tolle Seite übrigens!

  • Reply Petra 14. September 2015 at 21:32

    Seit langem bereite ich Wildgerichte zu. Sie sind immer mürbe geworden, nie zart und saftig. Diesmal wurde es noch schlimmer. Unser Jäger im Dorf brachte mir ein frisch erlegtes Reh. Ich habe es wie immer pariert und, in kleinere Stücke zerlegt, eingefroren. Vergangenen Sonntag habe ich eine größere Keule davon geschmort, im Ofen. Nach ca. 1,5 h habe ich die erste Kostprobe genommen, klitzeklein vom Rande. Nein, noch viel zu zäh. Und so ging das noch 4x, im Abstand von ca. 20-40 min. Das Fleisch wurde immer zäher, richtig langfaserig- war mein Eindruck. Irgendwann habe ich es einfach auf den Tisch gestellt und das “Kaugummikauen” fing an. Ich werde wohl kein Wild mehr kaufen, immerhin habe ich dafür ( 2 Keulen, ein paar Rippen, ein größeres Stück für Gulasch ) 70,-€ bezahlt. Wir – meine Familie und ich- sind alle nicht begeistert.

    • Reply werner steckmann 15. September 2015 at 05:52

      Natürlich ist es unmöglich nachzuvollziehen, wo genau der Fehler liegt, aber ein frisch erlegtes Stück gleich aus der Decke zu schlagen und zu zerlegen zeugt nicht von großer Fachkunde. Denn das Wildbret reift einmal eingefroren nicht weiter.

      Wenn Du noch etwas Wildbret übrig hast, würde ich diese Tranche entweder zu Gulasch oder anderen Schmorgerichten verarbeiten bei dem das Fleisch lange in Flüssigkeit bei niedrigen Temperaturen garen kann.

      Ich würde Deine Unzufriedenheit aber “Deinen” Jäger auf alle Fälle wissen lassen.

      • Reply Kiri 27. Dezember 2023 at 16:37

        Dann läuft irgendwo was falsch. Ich bin selber totale Anfängerin was kochen anbelangt, aber gerade Wild Keulen, Schultern und Braten in einem guten gusseisenen Bräter gelingen immer geschmort (egal ob man Reh, Hirsch oder Hase). Kleinere Stücke wie Filets, Medallions und co. auch meistens wenn änlich wie Rindersteak scharf angebraten von allen Seiten und dann 20 Minuten im Ofen ruen lassen. Soße einfach das Fett mit Schmand vermischen und nochmal nacwürzen.

        • Reply werste 27. Dezember 2023 at 16:45

          Wie bereits weiter oben mehrfach geschrieben: Es kommt auf viele Faktoren an – welches Teilstück, wie sauber verarbeitet, wie gut abgehangen, welche Wildart? Einige Teilstücke (Rücken, Filet etc.) eigenen sich mehr zum Kurzbraten, andere mehr zum Schmoren Teilstücke aus der Keule) und wieder andere (Hals, Rippen etc.) zum Grillen…
          Aber bei keinem ist es notwendig diese in Buttermilch o.ä. einzulegen…

  • Reply Benno Seiler 16. Dezember 2017 at 21:03

    Die Erklärung ist einfach.
    Fleischreife, wie ich sie erklärt bekam:
    Das Stück Wild wird idealerweise schnell erlegt und danach setzt die Leichenstarre ein, da sich die Muskeln verspannen. Die fehlende Blutzirkulation ist Schuld daran. Das hält etwa drei Tage an.
    Nach dem Schuß wird das Stück Wild aufgebrochen und gereinigt, dann heruntergekühlt. Das herunterkühlen dauert je nach Witterung 2-3 Stunden. Erst dann kommt es in die Kühlung. Dort hängt es dann bis zu 10-15 Tage. Dazu muss es sauber aufgebrochen sein, sonst ist es nach einer Woche möpselig und ungenießbar.
    Ansonsten ist es “abgehangen”, also zart wie Butter, wenn man es nicht totbrät.
    “Bumm und um und braten” geht nur in Filmen.

    Und der Buttermilchmythos kommt, wenn Scharlatane rauschige Keiler verkaufen und den armen Käufern erzählen, man bekäme den miesen Geschmack mit Buttermilch weg.
    Wer vom echten Jäger kauft, kauft von Ehrenmännern, die wissen, wann man Keiler schießen kann. Wer rauschige Keiler verkauft ist sicherlich kein Ehrenmann und eine Schande für die Zunft!

    Gruß

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